Blog Post

Offener Brief an das Gesundheitsamt des Regionalverbandes Saarbrücken

7. April 2020

Bekämpfung der Corona-Pandemie in Pflegeeinrichtungen

Ihr Schreiben vom 03.04.2020 an die Pflegeeinrichtungen im Regionalverband Saarbücken


Sehr geehrter Herr Medizinalrat Dr. BIRK,

angesichts der zum Teil dramatischen Situation bedauern wir es sehr, dass wir uns mit diesem Schreiben an Sie wenden müssen. Der Inhalt und die Reaktion der Pflegeeinrichtungen auf Ihr o.g. Schreiben machen dies jedoch unumgänglich.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen stehen am Limit. Personalengpässe durch hohe Krankenstände, die auch dadurch verschärft werden, dass seitens der Gesundheitsämter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Testung in die häusliche Quarantäne geschickt werden, gepaart mit der prekären Situation im Bereich der persönlichen Schutzausrüstung, den Ängsten der Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörigen sowie eigenen Ängsten, führen zu einer schwer beherrschbaren Situation.

In diese Situation kommt nun Ihr Schreiben, auf dessen Inhalt ich gleich eingehen werde. In der Folge gingen viele Anrufe bei den Verbänden ein, die die Fassungslosigkeit der Einrichtungsleitungen deutlich machten.

Zunächst zu Ihren Hinweisen zur persönlichen Schutzausrüstung, zu den neben den erwähnten Schutzmasken im Falle einer Infektion von Bewohnern auch FFP3-Masken (im Notfall auch FFP2-Masken) Brillen, Schutzkittel sowie entsprechende Mengen an Desinfektionsmittel gehören:


Die Einrichtungen versuchen verzweifelt seit Wochen sich die notwendigen Mengen zu besorgen. Soweit den Medien zu entnehmen ist, ist man sogar in der Regierungsspitze damit befasst. Der Regionalverband – so der überwiegende Eindruck – sieht das offensichtlich deutlich entspannter und gibt in dieser Situation den Rat, ein „konzertiertes Beschaffungskonzept“ zu erstellen und gibt uns eine Liste von Händlern an die Hand.

Die von Ihnen gelieferte Liste wurde durchgearbeitet. Hier das Ergebnis:

•    Varitec, Merchweiler: Wir warten auf Rückruf.

•    Work an Wear: 2000 Overalls können besorgt werden, Größe XL, Preis 15,15 Euro pro Stück. FFP2-Maske 27 Euro pro Stück!

•    Steffen Saarwellingen: Keine Vorräte. Wir bekommen Angebot, sollte irgendwas lieferbar sein.

•    Fa. Schumacher: Adresse nicht erreichbar, kommt zurück! (online)

•    Fa. Hygi (online): Telefonisch nicht erreichbar, Mail wurde geschickt, Antwort dauert 5-7 Tage oder länger.

Wir haben uns natürlich über Ihre Notlieferung von 2.000 FFP2-Masken gefreut, auch wenn sie nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein darstellt. Das zentrale Problem der bezahlbaren Beschaffung von Schutzausrüstungen ist jedoch nach wie vor nicht gelöst.

Im nächsten Absatz Ihres Schreibens schreiben Sie „…ist es umso wichtiger, die Maßgaben der Allgemeinverfügung umzusetzen und die direkten Kontakte von Personal und Bewohnern untereinander auf das absolute Minimum zu reduzieren. Insbesondere, dass nicht mehr als zwei Personen in unmittelbarem Kontakt stehen“. Danach erklären Sie, dass es Ihnen bewusst sei, dass dies „…im Pflegealltag zu einer immensen personellen Herausforderung führt.“, aber letztlich diese Maßnahme ohne Alternative sei.

Die Forderung ist aus Sicht der SPG von der Zielrichtung im Rahmen einer generellen Betrachtung nicht umstritten. Notwendige Maßnahmen, wie eine weitergehende sektorale Abschottung innerhalb der Einrichtung, sind auch aus unserer Sicht zu ergreifen. Ihre Forderungen gehen aber sehr viel weiter. Wir haben im großen Umfang mit demenziell erkrankten Bewohnern zu tun. Die Einsichtsfähigkeit dieser Menschen ist oftmals nicht gegeben. Wenn die Einrichtungen Ihrer strafbewehrten Vorgabe nachkommen, müssen sie – in Anbetracht der oben geschilderten personellen Situation - letztlich die Bewohner in ihren Zimmern einschließen. Sie sollten, sehr geehrter Herr Dr. BIRK, den Mut haben, das auch anzuordnen und sich auch, in den sicherlich anschließenden rechtlichen Auseinandersetzungen, der Verantwortung zu stellen.


Ein derartiges Vorgehen würde jedoch weder den Bewohnern noch den Mitarbeitern gerecht.

Im Interesse der saarländischen Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste braucht es dringend Klarstellungen, vor allem Präzisierungen, was unter Berücksichtigung der hauswirtschaft-lichen und pflegerischen Versorgung einschließlich der sozialen Betreuung in Pflegeein-richtungen und Pflegediensten an Infektionsschutzmaßnahmen in der Praxis möglich ist und was nicht.

Wir stehen für einen konstruktiv-kritischen Dialog jederzeit zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen

Harald KILIAN

(Vorsitzender)


Eine Kopie dieses Schreibens geht an
Regionalverbandsdirektor Herrn Peter GILLO




Share by: